In diesem Herbst wird Ursula Krechel für ihr Lebenswerk mit dem wichtigsten deutschen Literaturpreis, dem Georg-Büchner-Preis, geehrt. Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung lobt, dass Ursula Krechels Werk Leser*innen anregt, „die Spuren der Vergangenheit im Alltag der Gegenwart aufzufinden und das Hier und Jetzt der deutschen Gesellschaft nicht hinzunehmen, wie es ist.“ Gerade das Thema der Selbstbehauptung, Wiederentdeckung und Fortentwicklung weiblicher Autorschaft ziehe sich als roter Faden durch ihr gesamtes Schaffen. Das gilt besonders für Krechels neuen Roman „Sehr geehrte Frau Ministerin“. Darin geht es um vier Frauenschicksale: Eine Justizministerin, die Drohbriefe bekommt, eine schwer kranke Lateinlehrerin, eine seit kurzem arbeitslose Einzelhandelskauffrau und um die historische Agrippina, die durch ihren Sohn Kaiser Nero ermordet wurde. Ein Roman darüber, wie man körperlicher und seelischer Gewalt entgegentritt.
Ursula Krechel wurde 1947 in Trier geboren. Als promovierte Theaterwissenschaftlerin war sie als Dramaturgin tätig und trat in den 1970er und -80er Jahren mit Theaterstücken („Erika“, 1973), Gedichtbänden („Verwundbar wie in den besten Zeiten“, 1977) und Hörspielen hervor. Als Gastprofessorin lehrte sie Literatur an mehreren Universitäten des In- und Auslands. Einem größeren Publikum bekannt wurde Krechel mit ihren dokumentarischen Romanen „Shanghai fern von wo“ (2008), „Landgericht“ (2012) und „Geisterbahn“ (2018). Die Bücher handeln von Verfolgung, Flucht und Exil während der NS-Zeit und dem Nichteingeständnis der Schuld in der jungen Bundesrepublik. „Landgericht“ wurde mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet und verfilmt.
Dirk Kruse
Auszeichnungen u. a.: Rheingau Literatur Preis (2008), Joseph-Breitbach-Preis, Kunstpreis Rheinland-Pfalz (2009), Deutscher Buchpreis (2012), Heinrich-Heine-Gastdozentur (2013), Gerty-Spies-Literaturpreis (2015), Jean-Paul-Preis (2019), Bundesverdienstkreuz am Bande, Ehrenpräsidentin des PEN-Zentrums Deutschland (2020), Georg-Büchner-Preis (2025).
Veröffentlichungen (zuletzt):
– „Stark und leise. Pionierinnen“, Essays, Jung und Jung, Salzburg 2015
– „Geisterbahn“, Roman, Jung und Jung, Salzburg 2018
– „Beileibe und Zumute“, Gedichte, Jung und Jung, Salzburg 2021
– „Gehen. Träumen. Sehen. Unter Bäumen“, Jung und Jung, Salzburg 2022
– „Sehr geehrte Frau Ministerin“, Roman, Klett-Cotta, Stuttgart 2025